Energiewende für Engelskirchen

Energiewende für Engelskirchen

Was ist notwendig, was ist sinnvoll?

Um einer Antwort auf diese Fragen näher zu kommen, hatte der Verein Bürgerenergie Engelskirchen e.V. am 19. November zu einem Infoabend in das Neue Wolllager in Engelskirchen eingeladen. Miteingeladen hatte sich eine Gruppe von Windkraftgegnern, die einem Aufruf des Vereins „Bergische Bürger für Naturschutz“ aus Much gefolgt waren, vor der Veranstaltung eine Mahnwache abzuhalten.

Paul Lehnard, Vorsitzender des Bürgerenergievereins Engelskirchen, stellte in einem einleitenden Vortrag den Zweck des vor einem Jahr gegründeten Vereins vor: “Unser Ziel ist eine lokale dezentrale Energieversorgung in Bürgerhand, die auf demokratischen, sozialen und ökologischen Grundlagen beruht und sich am Gemeinwohl orientiert. Sowohl die Anwohner als auch die Kommune sollen gemäß den Vorgaben des neuen Bürgerenergiegesetzes NRW an deren Erträgen beteiligt werden. Anders als bei großen Energieversorgern steht jedoch die Gewinnmaximierung nicht im Vordergrund.“

„Die Gemeinde legt großen Wert auf Umwelt und Natur“, betonte auch Engelskirchens Bürgermeister Gero Karthaus. Mit 23 Naturschutzgebieten, die etwa zehn Prozent der Gemeindefläche ausmachen, sei Engelskirchen ein Hotspot der Artenvielfalt. Die dezentrale Energieversorgung habe eine lange Tradition in der Gemeinde: „Seit rund 100 Jahren haben wir eine eigene Stromversorgung durch die sechs Staustufen in der Agger.“ Er unterstrich hinsichtlich des Ausbaus von erneuerbaren Energien: „Wir wollen das Heft des Handelns in der Hand behalten, aber die Natur nicht massakrieren.“

Johannes Thema von der Klimaintitiative Windeck, der als Wissenschaftler im Bereich Energie- und Klimapolitik forscht, zeigte die Strukturen der Engelskirchener Energieversorgung auf. Er stellte dar, wie viele Windkraftanlagen oder welche Photovoltaik-Flächen die Gemeinde benötigt, um ihren derzeitigen Stromverbrauch zu decken. Weiter gab er einen Ausblick auf den Bedarf an regenerativer Energie nach der vollständigen Umstellung auf E-Mobilität und Wärmepumpen. Dies soll nach derzeitigem Plan der Bundesregierung spätestens im Jahr 2045 der Fall sein.

Während der derzeitige Bedarf noch mit 6 Windkraftanlagen gedeckt werden kann, werde es in 20 Jahren die vierfache Anzahl sein: „Wir müssen alles daransetzen, unsere Energie selbst zu erzeugen.“ Dabei sei Windenergie höchst effektiv. Ein einziges der in Engelskirchens Süden geplanten acht Windräder produziere so viel Strom wie alle Staustufen in der Agger zusammen und etwa 50 Prozent mehr als sämtliche derzeit in der Gemeinde installierten Photovoltaikanlagen. „Ich will nicht alles schönreden“, sagte Johannes Thema zu den Gegenargumenten. „Aber wenn wir viel Energie verbrauchen und die weder aus Atomkraft noch aus Kohle kommen soll, muss sie eben anders erzeugt werden.“ Als Alternative zu den acht Windrädern, die jährlich rund 72 Gigawattstunden Strom erzeugen, müssten 115 Hektar Photovoltaik installiert werden: „Das entspricht einer Fläche von mehr als 160 Fußballfeldern.“ Um wenigstens in die Richtung der angestrebten Klimaziele zu kommen, sei ein unverzüglicher Ausbau regenerativer Energieerzeugung unverzichtbar. Er stellte klar: „Treibhausgasneutralität bedeutet 100 Prozent erneuerbare Energien.“

„Wir denken Klimaschutz und Biodiversität grundsätzlich zusammen“, sagte Dirk Jansen, Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz, in seinem Vortrag. Dabei differenzierte er zwischen „Holzäckern“ und tatsächlichen Waldökosystemen. So sei etwa auf Kalamitätsflächen ein Ausbau regenerativer Energien sinnvoll und notwendig: „Wir haben nicht mehr viel Zeit.“ Dabei hob er die Notwendigkeit einer qualifizierten Kommunikation hervor: „Wer mit Infraschall und Abrieb argumentiert, disqualifiziert sich selbst für eine sachliche Debatte.“ Darüber hinaus kritisierte er die Haltung einiger Windkraftgegner: „Unsere Organisation kämpft seit Jahrzehnten für den Erhalt der Biodiversität, aber wer sich erst um Milane kümmert, wenn ein Windrad droht, ist unredlich.“

In der anschließenden Diskussionsrunde brachten einige der an der Mahnwache beteiligten Zuhörer lebhaft ihre Themen nach vorne. Ihre Schwerpunkte lagen dabei auf dem befürchteten Wertverlust von Immobilien und der Tatsache, dass Investoren der Windkraftanlagen Geld verdienen, während die Anwohner Nachteile hätten. Der Vorsitzende des Vereins Bürgerenergie Engelskirchen führte dazu aus, dass die Versorgung mit erneuerbaren Energien durchaus Beeinträchtigungen mit sich bringe, aber die Wahrung der Interessen aller Bürger – auch der, die beispielsweise häufiger und stärker auftretende Flutereignisse betroffen seien – eines der zentralen Ziele des Vereins sei.

Folien zum Vortrag von Johannes Thema